Discover (Germany)
September 5, 2002

Idaho
We Were Young And We Needed The Money
Idaho Music / Idaho Music / Retrophonic

Idaho gehört zu den Bands, die unzählige Touren gemacht haben, ihre sieben Alben in den CMJ-Charts (www.cmj.com, New York) platzieren konnten und regelmäßig vom Melody Maker gelobt werden. Da sie aus L.A. kommen und nicht gerade auf der Kommerzschiene unterwegs sind, kennt sie in Deutschland anscheinend keine Sau. Umso erstaunlicher ist für den hiesigen, unwissenden Alternativliebhaber, dass eine solche Combo bereits ihr zehnjähriges Jubiläum feiert. Zu diesem Anlass dürfen sich Anhängern und Neuentdecker über eine Raritätensammlung mit 17 älteren (15 bisher nicht veröffentlichten) Stücken freuen. Freude kommt bei den Kleinoden auf, und die Frage, warum sie nicht veröffentlicht wurden. Egal, Fans werden können sich ein Loch in den Bauch freuen. Die bekannte melancholisch-schwere Stimmung entfacht regelmäßige Feuer der Sehnsucht und Leidenschaft in der Brust. Die Musik ist tief, noch tiefer und sanft und dann wieder kantig und dann wieder geschmeidig. Der Begriff Emocore drängt sich auf - immerhin ein weites Feld - ist aber nur bedingt zulässig. Im Info erfahren wir, dass sie SloCore mit geprägt und überwunden haben.

Die Kalifornier um den Sänger und Gitarristen Jeff Martin (eigentlich ist er Multiinstrumentalist, drei Lieder spielt er ganz alleine; und ja, er hat den gleichen Namen wie The Tea Party-Mastermind Jeff Martin, ist aber weder verwandt noch verschwägert) bieten mal wieder einen Intensivkurs in Gemütsregungen, die wohlig warm sind, und die einen anstatt in eine Depression oder Aggressionen zu drängen am Ende des Tunnels absetzen. Hier findet sich keinerlei Ausschussware. Vielmehr waren die Nummern, laut Mitgründer John Berry, entweder mal zu poppig oder zu gitarrenlastig, oder sie empfanden sie einfach nicht zeitgemäß. Heute funktionierten sie hingegen wunderbar. Dieser Meinung kann man sich nur anschließen und über eine Stunde feinster Idaho-Klänge freuen.

Tatsächlich ist in vielen Fällen zu beobachten, dass die Independent-Musik der Neunziger entweder ihrer Zeit voraus war oder die Neunziger irgendwie immer noch nicht vorbei sind. Darauf sollte man anstoßen.

Ulf Kneiding

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